Begutachtungsfristen in der Pflege

Krankenkassen mussten 2024 Strafzahlungen von 63,1 Millionen Euro leisten

07.04.2025·Durch Fristüberschreitungen bei der Begutachtung im Rahmen von Anträgen auf Pflegeleistungen wurden die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2024 mit Strafzahlungen an Versicherte in Höhe von insgesamt 63,1 Millionen Euro belastet. Eine Regressmöglichkeit der Kassen gegenüber dem Medizinischen Dienst besteht dabei nicht. Sie könnten dem Entstehen der Strafzahlungen jedoch initiativ entgegentreten.

Pflegeleistungen können für Betroffenen schnell eine wirtschaftlich bedeutende Rolle einnehmen oder bei Sachleistungen existenziell für die Versorgung sein. Damit die Entscheidung über die Leistungen zeitnah erfolgt, sieht das Sozialgesetzbuch (SGB) XI vor, dass die Pflegekassen diese spätestens nach 25 Arbeitstagen ab Antragstellung treffen müssen. In vielen Fällen ist hierzu eine medizinische Begutachtung notwendig, für die die jeweilige Pflegekasse den Medizinischen Dienst (MD) oder einen unabhängigen Gutachter beauftragen kann. Für zweitere Möglichkeit muss die Kasse dem Antragsteller eine Liste mit drei unabhängigen Gutachtern zur Auswahl vorlegen. Auch bei der Begutachtung durch den MD muss die Kasse dem Antragsteller eine Auswahl an unabhängigen Gutachtern zur Verfügung stellen, wenn der MD die Begutachtung nicht binnen 20 Arbeitstagen nach Antragstellung vorgenommen hat.

Versicherte erhalten Strafzahlungen

Erfolgt die Begutachtung nicht binnen 25 Arbeitstagen ab Antragstellung, so muss die Pflegekasse nach dem SGB XI eine Strafzahlung an den Antragsteller in Höhe von 70 Euro pro Woche leisten. Dies gilt auch dann, wenn das Versäumnis einer rechtzeitigen Begutachtung alleine auf Seiten des organisatorisch eigenständigen MD liegt. Ein Umstand, der für die Pflegekassen angesichts der Demografie und einer weiter zunehmenden Zahl an Anträgen auf Pflegeleistungen immer gewichtiger wird. Alleine im Jahr 2024 mussten die Pflegekassen auf diesem Weg laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) insgesamt 63,1 Millionen Euro Strafzahlungen leisten. Gegenüber dem Vorjahr (2023: 45 Millionen Euro) wuchsen sie damit um gut 40 Prozent an.

Keine Regressmöglichkeit der Krankenkassen

Direkt belastet werden mit den Strafzahlungen zwar die Pflegekassen. Nach dem SGB XI werden diese jedoch bei der Ermittlung der von den Pflegekassen an die Krankenkassen zu zahlenden Verwaltungskosten abgezogen. Damit tragen die Krankenkassen, die die Verwaltung der Pflegekassen mit eigenen Personal- und Sachmitteln durchführen, mittelbar auch die genannten Strafzahlungen. Gesetzlich ist dies so gewollt, da die Zuständigkeit der Steuerung des Gesamtprozesses der Antragsbearbeitung bei ihnen liegt.

Ein Rückgriff der Krankenkassen auf die MDe im Sinne eines gesetzlich vorgesehenen Regressanspruchs ist im SGB XI nicht geregelt. Auch eine Deckelung der Kosten ist laut BMG zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beabsichtigt.

Möglicher Ausweg für Krankenkassen

Da die Pflegekassen den organisatorisch eigenständigen MD nicht zur Termineinhaltung anweisen können und trotzdem in der Haftung für dessen Versäumnisse stehen, müssten diese ein aktives Terminmanagement betreiben. So könnten die Kassen nach 15 Arbeitstagen beim MD nachfragen, ob die Begutachtung rechtzeitig erfolgen wird. Falls nicht, könnte die Kasse den Auftrag zur Begutachtung stornieren und dem Antragsteller die Auswahlliste für einen unabhängigen Gutachter zukommen lassen. Für Auwahl und Begutachtung verblieben dann noch 10 Arbeitstage, um eine Strafzahlung zu verhindern. Alleine 2023 und 2024 hätten auf diesem Weg knapp 110 Millionen Euro für zusätzliche Gutachten aufgewendet werden können, ohne dass für den Beitragszahler Mehrkosten entstanden wären.


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