Mehr allgemein als konkret schreiben sich CDU, CSU und SPD die Sicherung einer bedarfsgerechten und bezahlbaren medizinischen und pflegerischen Versorgung für die Menschen im ganzen Land auf die Fahne. Dazu soll die Finanzsituation in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV) stabilisiert werden. Auch soll eine große Pflegereform auf den Weg gebracht werden. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll hierzu auf Ministerebene und unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände die Grundlagen bis Ende 2025 erarbeiten.
Dem Vertrag müssen in einem nächsten Schritt noch die Gremien der Parteien zustimmen. Die CDU entscheidet in einer Sitzung des Bundesausschusses mit rund 160 Mitgliedern ("kleiner Parteitag") voraussichtlich am 28.04.2025 über den Vertrag. Die CSU berät bereits heute (10.04.2025) in einer gemeinsamen Schaltkonferenz des Vorstands, der Landesgruppe im Bundestag und der Landtagsfraktion über die Zustimmung zum Vertrag. Am längsten benötigt die SPD. Sie führt vom 13.04. bis 29.04.2025 eine digitale Abstimmung unter ihren Mitgliedern durch. Das Ergebnis soll am 30.04.2025 verkündet werden. Stimmen alle Parteien zu, könnte ab 05.05.2025 der Bundeskanzler gewählt werden.
Für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wird die CDU zuständig sein. Als Minister wird Tino Sorge (vgl. "Links zum Thema") gehandelt.
Auszüge aus dem Koalitionsvertrag: Thema Gesundheit und PflegeStabilisierung der BeitragssätzeDie Finanzsituation der GKV soll stabilisiert und eine weitere Belastung für die Beitragszahler vermieden werden. Hierzu ist ein Gesamtpaket aus strukturellen Anpassungen und kurzfristigen Maßnahmen geplant.
Langfristig sollen die Einnahmen durch ein höheres Beschäftigungsniveau vergrößert und die Kosten auf der Ausgabenseite reduzieren werden.
Eine Kommission soll hierzu bis zum Frühjahr 2027 Ableitungen erarbeiten und konkrete Maßnahmen vorschlagen.
Keine Berücksichtigung mehr finden die Vorschläge der Arbeitsgruppe "Gesundheit und Pflege" zur Übernahme von gesamtgesellschaftlichen und damit versicherungsfremden Leistungen der GKV aus dem Steueraufkommen (insbes. Krankenversicherungsbeiträge für Bürgergeldempfänger und Dynamisierung des Bundeszuschusses). Der Wegfall alleine dieser beiden Leistungen entziehen der GKV jährlich über 10 Milliarden Euro, die von Versicherten und Arbeitgebern über Beiträge zusätzlich aufgebracht werden müssen.
PräventionBestehende U-Untersuchungen werden erweitert.
Einladewesen für alle wird weiterentwickelt.
Ambulante VersorgungZielgerichtete Versorgung und schnellere Terminvergabe durch verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) und im Kollektivvertrag (Ausnahmen bei Augenheilkunde und Gynäkologie).
Facharzttermin nur noch nach Feststellung des medizinschen Bedarfs mit Zeitkorridor (Termingarantie) durch Primärarzt oder durch die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVn) betriebene Rufnummer 116 117. Ist kein Termin vermittelbar, ist der ambulante Facharztzugang im Krankenhaus möglich.
Weiterentwicklung sektorenunabhängiger Fallpauschalen (Hybrid-DRGs) zur Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung.
Gesetz zur Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ-Regulierungsgesetz), das Transparenz über die Eigentümerstruktur sowie die systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel sicherstellt.
Honorare: Einführung einer Jahrespauschale mit dem Ziel, die Anzahl nicht bedarfsgerechter Arztkontakte zu reduzieren.
Verbesserung der Weiterbildung durch Absolvierung in Arztpraxis (zwei pro Weiterbilder) und Ausbau der Kapazitäten für Kinderärzte.
Fairnessausgleich zwischen über- und unterversorgten Gebieten durch Entbudgetierung, Zu- und Abschläge beim Honorar, Vereinfachungen bei universitären Lehrpraxen und Stärkung der Länder bei der Bedarfsplanung.
Regelung für eine Sozialversicherungsfreiheit von Ärzten im Bereitschaftsdienst.
Weitere Reformvorhaben: Notfall- und Rettungsdienst, Patientenrechte gegenüber Behandelnden, Hospiz- und Palliativgesetz.
ApothekenFremdbesitzverbot wird bekräftigt, Stärkung von Apotheken im ländlichen Raum.
Ausbau von Strukturen in den Vor-Ort-Apotheken für Präventionsleistungen und Abbau von Bürokratie und Dokumentationspflichten.
Abschaffung von Nullretaxationen aus formalen Gründen und des Skonti-Verbots.
Anhebung des Apothekenpackungsfixums einmalig auf 9,50 Euro (Korridor nach Versorgungsgrad bis 11,00 Euro).
Vergütungsverhandlungen künftig zwischen Apotheken und GKV-Spitzenverband.
Vereinheitlichung von Vorgaben für Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken, insbesondere bei der Einhaltung von Kühlketten und Nachweispflichten.
Apothekerberuf soll zum "Heilberuf" werden.
GesundheitswirtschaftRückverlagerung von Produktionsstandorten für kritische Arzneimittel und Medizinprodukte nach Deutschland und Europa.
Stärkung der industriellen Gesundheitswirtschaft, insbesondere die pharmazeutische Industrie und Medizintechnik, als Leitwirtschaft.
Weiterentwicklung des AMNOG mit Blick auf die "Leitplanken" (Preisobergrenzen in Abhängigkeit der zweckmäßigen Vergleichstherapie und des Ergebnisses der Nutzenbewertung) und auf personalisierte Medizin.
KrankenhauslandschaftFortführung der Krankenhausreform aus letzter Legislatur durch - teils anpassende - gesetzliche Regelungen bis Sommer 2025.
Die Lücke bei den Sofort-Transformationskosten aus den Jahren 2022 und 2023 sowie der bisher für die GKV vorgesehene Anteil für den Krankenhaustransformationsfonds werden aus dem Sondervermögen Infrastruktur finanziert.
Neudefinition der "Fachkrankenhäuser" um versorgungsrelevante Fachkliniken erhalten zu können.
Zuweisung der Leistungsgruppen erfolgt zum 01.01.2027 auf Basis der 60 NRW-Leistungsgruppen zuzüglich spezieller Traumatologie.
Bis zum 01.01.2027 geltende Zwischenfristen zur Krankenhausreform werden angepasst.
Pflegereform und Bund-Länder-KommissionGroße Pflegereform für nachhaltige Finanzierung, Stärkung der ambulanten und häuslichen Pflege sowie vereinfachte Inanspruchnahme der Leistungen.
Grundlagen der Reform soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände erarbeiten. Vorlage der Ergebniss noch 2025.
Kurzfristige Gesetze zur Pflegekompetenz, Pflegeassistenz und zur Einführung der "Advanced Practice Nurse" zur Absicherung des "kleinen Versorgungsvertrags".
Bürokratieabbau im GesundheitswesenVerringerung der Dokumentationspflichten und Kontrolldichten durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen.
Überprüfung aller Datenschutzvorschriften und aller Berichts- und Dokumentationspflichten (insbesondere nach dem SGB XI) auf ihre zwingende Notwendigkeit.
Ermöglichung eines konsequent vereinfachten und digitalen Berichtswesens und der Anwendung einer KI zur Behandlungs- und Pflegedokumentation.
Einführung einer Bagatellgrenze bei Regressprüfungen, z. B. in Höhe von 300 Euro bei niedergelassenen Ärzten.
Prüfquote bei Krankenhäusern wird "erheblich" gesenkt. Das Prüfergebnis wird hochgerechnet. Ist eine Prüfung regelhaft nicht auffällig, sind die Prüffrequenzen anzupassen.
Abbau von Doppelstrukturen bei der Kontrolle in der Pflege (Medizinischer Dienst und Heimaufsicht). Krankenkassen werden verpflichtet, vollständig gemeinsame Vertrags- und Verwaltungsprozesse zu entwickeln.
Strukturveränderungen und erhebliche Einsparungen bei Gehältern der Mitarbeitenden, z. B. bei Krankenkassen: Alle sozialversicherungsrechtlichen oder selbstverwaltenden Körperschaften des öffentlichen Rechts im Gesundheitswesen, die aus dem Beitragsaufkommen finanziert werden, sollen die gleiche Gehaltsstruktur abbilden, die für die Mitarbeitenden der niedergelassenen Ärzteschaft, der Krankenhäuser und des öffentlichen Gesundheitsdienstes gelten. Künftig sollen sich die Gehälter der gesetzlichen Krankenkassen, des Medizinischen Dienstes und weiterer Akteure am Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) orientieren.
DigitalisierungStufenweises Roll-out der elektronischen Patientenakte (ePA) noch in 2025 von einer bundesweiten Testphase zu einer verpflichtenden sanktionsbewehrten Nutzung.
Weiterentwicklung der Gematik GmbH zu einer modernen Agentur, um im Bereich der Digitalisierung Akteure besser zu vernetzen.
Alle Anbieter von Software- und IT-Lösungen im Bereich Gesundheit und Pflege müssen bis 2027 einen verlustfreien, unkomplizierten, digitalen Datenaustausch auf Basis einheitlich definierter Standards sicherstellen.
Gesundheitsforschung und zielgruppengerechte VersorgungSchaffung eines Registergesetzes und Verbesserung der Datennutzung beim Forschungsdatenzentrum Gesundheit. Deutschland soll zu einem Spitzenstandort für die Gesundheitsforschung und klinische Studien werden.
Schaffung eines länderübergreifenden Behandlungszentrums für Infektionskrankheiten und Unterstützung des Verbundes der deutschen Kompetenz- und Behandlungszentren für Krankheiten durch hochpathogene Erreger (STAKOB).
Medizinische Vorsorge, Behandlung und Forschung soll geschlechts- und diversitätssensibel (inklusive queere Menschen) gestaltet werden und dabei die speziellen Bedürfnisse in jedem Lebensabschnitt aller Geschlechter, zum Beispiel Geburt und Wechseljahre, sowie spezifische Krankheitsbilder wie Endometriose, Brust- und Prostatakrebs berücksichtigen.
PsychotherapieNiedrigschwellige Online-Beratung in der Psychotherapie und digitale Gesundheitsanwendungen sollen Prävention sowie Versorgung in der Fläche und in Akutsituationen stärken.
Stärkung der Kurzzeittherapie.
Einführung einer Notversorgung durch Psychotherapeuten und Umsetzung des Suizidpräventionsgesetzes.
Verbesserung der psychosomatischen Grundversorgung durch Abschaffung der Regresse gegenüber Hausärzten und Schaffung von wohnortnahen psychosomatischen Institutsambulanzen.
Fokussierung der Bedarfsplanung auch auf Kinder und Jugendliche sowie ländliche Räume.
Sicherstellung der Weiterbildungsfinanzierung in der Psychotherapie.
Auswirkungen der Corona-PandemieAufbereitung der Corona-Pandemie im Rahmen einer Enquete-Kommission, insbesondere um Lehren für künftige pandemische Ereignisse abzuleiten.
Verbesserung der Situation von Betroffenen seltener Erkrankungen in der Versorgung und durch Forschung, darunter: Myalgischer Enzephalomyelitis/Chronischem Fatigue-Syndrom, Long- und PostCOVID und PostVac.
Krisenfeste Versorgung und globale GesundheitSchaffung von Rahmenbedingen für den Gesundheitssektor und den Rettungsdienst im Zivilschutz- sowie Verteidigungs- und Bündnisfall mit abgestimmter Koordinierung und eindeutigen Zuständigkeiten. Dabei: Investitionen in die energetische Sanierung und Digitalisierung für die Krankenhaus-, Hochschulklinik- und Pflegeinfrastruktur.
Deutsche Gesundheitsexpertise für Reformen bei WHO und UNAIDS. Ziele sind: Eindämmung von Ausbruch und die Ausbreitung von Krankheiten im globalen Süden, Forschung zu antimikrobiellen Resistenzen und eine nachhaltigere Gesundheitsfinanzierung.
Sucht und PräventionStärkung der Suchtprävention, -hilfe und Substitutionsmedizin, um insbesondere Kinder und Jugendliche vor Alltagssüchten zu schützen.
Vorlage einer Regelung zur Abgabe von Lachgas und GHB/GBL (sogenannte KO-Tropfen).
GesundheitsberufeAufwertung der Selbstverwaltung in der Pflege, insbesondere durch einen festen Sitz mit einem Stimmrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss G-BA (vgl. "Links zum Thema").
Reduktion der Unterschiede zwischen Leiharbeitnehmern und der Stammbelegschaft.
Vereinfachung der Weiterqualifizierung von berufserfahrenen Pflegefachkräften durch das DQR-Anerkennungsverfahren.
Mindestanhebung der Vergütungsstruktur im Praktischen Jahr (PJ) auf den BAföG-Satz sowie gerechte und einheitliche Fehlzeitenregelungen.
Stärkere sprachliche Komponente bei der Kenntnisprüfung für die Anerkennung der Ausbildung ausländischer Ärzte.
Reform der Berufsgesetze für Ergo- und Physiotherapie sowie Logopädie und Schaffung eines Berufgesetzes für Osteopathie.
Links zum Thema / Downloads
Kassenverbände zum Koalitionsvertrag