logo
Bertelsmann Stiftung|17.03.2025

PRESSEMITTEILUNG

Bürgergeld: mehr Fordern, besser Fördern, Verwaltung reformieren

Gütersloh (kkdp)·Die zukünftige Bundesregierung will das Bürgergeld reformieren. Dabei sollte es aber nicht nur um das Fordern und Fördern gehen, sondern auch um die Reform der Verwaltung. Seit Jahren geben die Jobcenter immer mehr Geld für das Verwalten und deutlich weniger für die Arbeitsförderung ihrer Kund:innen aus. Dadurch bleiben die Ausgaben hoch, während die Vermittlung in Arbeit auch wegen der vielfältigen Problemlagen der Kund:innen gering ist. Um die Arbeitsmarktintegration tatsächlich zu steigern, braucht es: stärkere Aktivierung durch gezielte Maßnahmen des "Förderns und Forderns", höhere Anreize für Mehrarbeit, mehr individuelle Betreuung sowie effizientere Prozesse.

Rund 5,4 Millionen Menschen in Deutschland beziehen zurzeit Bürgergeld. Davon stehen etwa 2,7 Millionen Menschen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie derzeit nicht erwerbsfähig sind, sich in einer Aus- oder Weiterbildung befinden oder Sorgearbeit übernehmen. Weitere rund 830.000 sind sogenannte Aufstocker:innen, bei denen das Erwerbseinkommen nicht zum Leben reicht - und 1,9 Millionen sind tatsächlich Arbeitslose. Die Gesamtkosten für alle Leistungen der Grundsicherung belaufen sich aktuell pro Jahr auf rund 52 Milliarden Euro, wovon etwa 29 Milliarden Euro als Bürgergeld gezahlt werden.

Zuständig für die Betreuung sind die Jobcenter. Sie sollen die Betroffenen dabei unterstützen, einen neuen Job zu finden, und bis dahin den Lebensunterhalt mit der Zahlung von Bürgergeld sichern. Die für diese Aufgaben nötigen Finanzmittel verteilt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales an die Jobcenter - nach der Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Aufschlägen für einen hohen Anteil an Langzeitbeziehenden sowie Bürgergeldempfänger:innen in einer Region.

Kosten für Verwaltung steigen, während Mittel zur Eingliederung stagnieren

Insgesamt standen den Jobcentern 2024 rund 10,7 Milliarden Euro zu Verfügung. Wie sie die zugewiesenen Mittel zwischen der Verwaltung und der Arbeitsförderung aufteilen, bleibt den Einrichtungen bislang selbst überlassen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Kosten für die Verwaltung um 39 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro gestiegen, während die Mittel zur Förderung von Leistungsbezieher:innen bei rund 3,8 Milliarden Euro verharren. Einige Jobcenter verschieben bis zu 70 Prozent dieser Gelder in die Verwaltung. Die Folge: Das "Soll" beim Bereich Eingliederung wird um rund eine Milliarde Euro unterschritten, während das Verwaltungsbudget jedes Jahr überschritten wird. Die Budgetplanungen sind unrealistisch. "Wie viele Menschen die Jobcenter am Ende in Arbeit bringen, spielt eine untergeordnete Rolle", sagt Roman Wink, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. "Eine wirkungsorientierte Steuerung oder auch nur Transparenz über den Zusammenhang zwischen Mittelausstattung und dem Erfolg der Jobcenter gibt es nicht. Zukünftig braucht es klare Ziele, damit Steuergelder effizient eingesetzt werden. Wir brauchen eine umfassende Reform, die alle Stellschrauben in den Blick nimmt."


Stärkerer Akzent auf "Fördern und Fordern"

Die Arbeitsmarktexperten der Bertelsmann Stiftung plädieren dafür, einen stärkeren Akzent auf das "Fördern und Fordern" der Betroffenen zu setzen. Weil 44 Prozent der arbeitslosen Bürgergeldempfänger:innen zwei oder mehr Vermittlungshemmnisse haben, ist eine stärkere individuelle Unterstützung, zum Beispiel durch Coaching oder eine persönliche Entwicklungsberatung, nötig. Insbesondere für jüngere Betroffene braucht es mehr abschlussorientierte Qualifizierung und eine passgenaue Weiterbildung.

Seit der Einführung des Bürgergelds ist die Zahl erfolgreicher Integrationen in den Arbeitsmarkt um rund sechs Prozent gesunken. Allein wenn es gelänge, die 230.000 Bürgergeldbezieher ohne Vermittlungshemmnisse zum Mindestlohn in Vollzeit-Beschäftigung zu bringen, könnten jährlich ca. 3,5 Milliarden Euro an Transferzahlungen eingespart und zusätzlich 1,3 Milliarden Euro in der Sozialversicherung sowie 350 Millionen Euro an Einkommensteuer eingenommen werden.

Bei Verweigerung frühzeitiger und konsequenter sanktionieren

Um diese Integration zu verbessern, müssen auch Sanktionen für Empfänger:innen von Bürgergeld genauer in den Blick genommen werden. Bei Pflichtverletzungen durch die Empfänger:innen, etwa weil Termine versäumt oder Angebote ausgeschlagen werden, sollte moderat, aber früher und konsequenter sanktioniert werden. "Ein richtiger Ansatz ist, die Leistungsempfänger:innen sofort nach der Antragstellung zu aktivieren, um eine Verhärtung der Arbeitslosigkeit zu vermeiden", sagt Tobias Ortmann, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. "Möglich sind Angebote für reguläre oder geförderte Arbeit, aber auch berufliche Qualifizierungen, die zunächst einmal mehr Investitionen erfordern." Auf gleichem Weg ließe sich so auch verhindern, dass manche Betroffene während der Arbeitslosigkeit mit Schwarzarbeit hinzuverdienen und damit der Anreiz für eine Rückkehr ins reguläre Arbeitsleben gering ist.

Mehrarbeit lohnt sich oft nicht

Dieser Anreiz muss auch auf einer weiteren Ebenen verstärkt werden. Zwar haben Personen, die arbeiten, immer mehr Einkommen als diejenigen, die nicht arbeiten. Aber weil mit steigendem Bruttoverdienst sowohl Bürgergeld als auch Wohngeld und Kinderzuschlag abschmelzen, bleibt am Ende nur wenig mehr Nettoeinkommen übrig. "Mehrarbeit lohnt sich oft nicht. Deshalb brauchen wir anreizstarke Leistungen aus einem Guss", sagt Eric Thode, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. "Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag sollten so zusammengeführt werden, dass zusätzliches Arbeitseinkommen nicht mehr fast vollständig vom Leistungsanspruch abgezogen wird, damit Menschen im Bürgergeld leichter aus eigener Kraft den Hilfebezug verlassen können. Die Grundsicherung bedarf einer grundlegenden Reform. Anstelle des bisherigen Hin und Hers bei einzelnen Stellschrauben des Bürgergeldes braucht es klare Linien mit langfristiger Perspektive."


Zusatzinformationen:
Das Focus Paper "Bürgergeld: Anspruch, Realität, Zukunft" der Bertelsmann Stiftung verwendet aktuell verfügbare Daten zur Grundsicherung, um die historische Entwicklung sowie die aktuelle Situation im Bürgergeld faktenbasiert zu veranschaulichen. Darüber hinaus wird die Arbeitsverwaltung aus einer institutionellen und fiskalen Perspektive in den Blick genommen und Fehlanreize zur Arbeitsaufnahme beleuchtet. Auf Basis relevanter Indikatoren gibt das Paper einen Überblick zu den zentralen Zahlen und Fakten, illustriert deren Hintergründe und zeigt Handlungsempfehlungen für Politik und Verwaltung auf.

Über die Bertelsmann Stiftung: Die Bertelsmann Stiftung setzt sich dafür ein, dass alle an der Gesellschaft teilhaben können - politisch, wirtschaftlich und kulturell. Unsere Programme: Bildung und Next Generation, Demokratie und Zusammenhalt, Digitalisierung und Gemeinwohl, Europas Zukunft, Gesundheit, Nachhaltige Soziale Marktwirtschaft. Dabei stellen wir die Menschen in den Mittelpunkt. Denn die Menschen sind es, die die Welt bewegen, verändern und besser machen können. Dafür erschließen wir Wissen, vermitteln Kompetenzen und erarbeiten Lösungen. Die gemeinnützige Bertelsmann Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn gegründet.

Pressekontakt:

Roman Wink, Telefon: 0 52 41 81 81 560
E-Mail: [email protected]

Tobias Ortmann, Telefon: 0 52 41 81 81 181
E-Mail: [email protected]

Eric Thode, Telefon: 0 52 41 81 81 581
E-Mail: [email protected]

QR-Code: http://sportbonus.org

Dies ist ein Ausdruck aus sportbonus.org
Es gelten die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.
© 2000-2025 Redaktion kkdirekt; alle Rechte vorbehalten, alle Angaben ohne Gewähr.

Dies ist ein Ausdruck aus sportbonus.org
Es gelten die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.
© 2000-2025 Redaktion kkdirekt; alle Rechte vorbehalten, alle Angaben ohne Gewähr.